Drei Frauen unter Ziegen
Die Alp Cavlocc liegt knapp unterhalb der Baumgrenze im südlichen Engadin. Von Juni bis September leben hier drei Frauen und 120 Ziegen. Sie bilden eine Gemeinschaft, die sich von einem Tag zum anderen arbeitet.
Um zur Alp zu gelangen, muss man mit dem Bus von St. Moritz ins Bergdorf Maloja fahren und noch zwei Stunden in die Höhe steigen.
Morgens um 4.30 Uhr geht es los. Die Ziegen werden in vollkommener Ruhe gemolken. Der Nebel liegt noch auf dem Gras vor dem See, nur selten unterbricht ein Rufen die Stille. Die Ziegen kennen das Melken. Ohne einen Laut lassen sie die Frauen mit ihren Händen das Euter bearbeiten. Wenn sie fertig sind, gibt es einen Keks. Die Frauen kennen jedes Tier beim Namen.
Mex ist eigentlich Geophysikerin und arbeitet in der Lawinenforschung in Davos. Seit sechs Jahren betreibt sie im Sommer die Alp.
Das südliche Engadin ist auch die Heimat eines beinahe ausgestorbenen Ziegenkäses, des Mascarplin. Mit der Übernahme der Alp musste Mex auch die Tradition des Käses fortführen. Sie findet, dass er am besten schmeckt, wenn er geräuchert wird. Deshalb haben sie in die Bergwand oberhalb der Käserei einen Holzverschlag gebaut. Dort werden die frischen Käselaibe mit selbst gesammelten Wacholderzweigen geräuchert. Jede halbe Stunde frischt eine der drei Frauen die Glut auf.
Im Frühherbst übergeben die drei Frauen die Ziegen wieder an die Bauern des Tals. Dann steigen sie auch sie den Berg hinab, bis zum nächsten Sommer.
Diese Geschichte erschien 2020 im Schluck Magazin Nr.10